Von nichts zuviel
Unsere Baukultur ist eine über Jahrhunderte erarbeitete und in Form von alten Häusern im Alltag präsente Wissenssammlung. Im Museum Tiroler Bauernhöfe, Kramsach, ist diese erlebbar. [ weiter ]
Ein alter Bauernhof. Ein archaischer Baukörper, der es schafft, Gedanken an Natur, Arbeit und Handwerk, Speis und Trank, ja, gar das Wetter, positiv aufzuladen. Schlüpft man in das Innere des Gehöfts, so entdeckt man die andere Seite der bäuerlichen Realität. Kleinteilig und dunkel, eine mit Mensch und Tier gefüllte Limitation. Räume, die unmittelbar an die Härte des landwirtschaftlichen Alltags, das oft fatale Ineinandergreifen von Natur und Auskommen erinnern.
So ist es auch beim Hackl-Hof, einem ursprünglich 1675 in Inneralpbach errichteten Bauernhof. Das Gebäude und seine Bewohner griffen ausschließlich auf Ressourcen aus der direkten Umgebung zurück. Jeder Bauteil, die Raumkonfiguration, auch Einbau- und Anbauten, sind bis auf das Letzte ausgereizt. Kein Brett, kein Balken, kein Holznagel zu viel kamen hier zum Einsatz. Das Bauernhaus, ursprünglich in einer Hanglage gelegen, wird über einen zum Stall führenden Mittelflur erschlossen. Gleich nach dem Hauseingang findet sich die Stube. Ausgestattet mit Kachelofen, Ess- tisch und Wandbänken ist diese zentraler
Lebensraum im Haus. Hier wird gespeist, geruht, gesungen und gespielt, ins Tal geschaut. Eine aus Fichtenholz gefertigte Wandvertäfelung, dahinter findet sich Dämmung aus Moos und Flechten, verhindert das allzu direkte Eindringen von Kälte ins Innere. An der Decke gibt es Lüftungsluken, um die warme Luft in die direkt darüber liegenden Schlafzimmer zu leiten – im Winter sprießen trotzdem Eisblumen an den Fenstern.
Einen Raum weiter findet sich die rauchschwarze Küche. Gekocht wurde am offenen Feuer. Wie im gesamten Haus sind die Fenster winzig. Stockdunkel war es hier trotzdem nicht – denn das Feuer loderte üblicherweise den ganzen Tag. An der Wand hängen diverse Küchengeräte, alles greifbar. Unter der Sitzbank gibt es eine Hühnersteige. Ein warmer Ort für Legehennen, denn ein frierendes Huhn legt kein Ei. Im vorderen Teil des Gebäudes finden sich also Räume für die im Haus beheimateten Menschen. Das waren mit Bauernfamilie samt Großeltern und Nachwuchs, Mäg- den und Knechten einige. In der hinteren Haushälfte werden im Erdgeschoss Tiere untergestellt. Ist der Bauer ein „besserer“, so gibt es neben Kühen, Ziegen, Schafen, Hasen und Hühnern auch ein Pferd. Direkt über dem Stall findet sich die Tenne – Lagerraum für Heu, Stroh und Arbeitsgerät. Den Hackl-Hof kann man, neben vielen anderen Bauernhöfen aus dem ganzen Land, im Museum Tiroler Bau- ernhöfe besichtigen.
Damit dieses nicht eines Tages den Namen „Zoo längst ausgestorbener Häuser“ trägt, müssen wir Bauten aus dieser Zeit vor Ort verwend- bar machen. Und das mit Strategien, die über das pure Konservieren hinausreichen. Tun wir das nicht, vernichten wir die letzten Tropfen des von unseren Ur- ahnen hart erarbeiteten Wissens, samt den daran hängenden Erinnerungen. Und beginnen irgendwann bei null.
(Text für 20er 09/2017)