2017, Innsbruck, Österreich
Architektur: Norbert Heltschl, 1958
Publikation
20er 07-08/2017
Plansch!
Norbert Heltschl gehört zu jenen Architekten, die Tirol mit der Moderne konfrontierten. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für seine Arbeit ist das Innsbrucker Tivoli – die perfekte Badeanstalt für Eisschlecker und Turmspringer mit Hang zum visuellen Feinspitz. [ weiter ]
Was ein Schwimmbad können muss? Sehr viel Wasser soll möglichst lange in einem übergroßen Behältnis bleiben. So kann die verdrängbare Masse Badegästen für sportliche Ertüchtigung oder kühlende Planscherei dienen. Viel mehr darf sich der Badegast von heute leider nicht erwarten.
Denn in letzter Zeit entstandene Schwimmbäder, etwa jene von Telfs, Wörgl oder Fügen, erfüllen gerade einmal diese Minimalanforderung. Darüber hinaus fallen sie lediglich durch gestalterische Plumpheit und die Abwesenheit von atmosphärischen Qualitäten auf. Sehr anders ist das im Innsbrucker Freibad am Tivoli. Dieses zeigt, wie raffiniert und zeitlos ein Schwimmbad sein kann.
Die 1958 vom Imster Norbert Heltschl erdachte Anlage ist ein ebenso unaufgeregter wie spektakulärer Lieblingsort. Auf dem Areal verteilt findet sich eine spannend arrangierte Sammlung von Pavillons, Kabinen, einer Brücke, Wasserbecken und dem weitum bekannten Sprungturm. Es dominieren Farben, die mit dem Grün der Wiese, den Farbfacetten der Wasseroberflächen und dem hauptsächlich verwendeten Material Beton wunderbar harmonieren.
Parkt man sein Vehikel an der Rückseite der Anlage, da wo man vor vielen Jahren die Nordtribüne des mittlerweile verschwundenen Tivoli-Stadions verließ, wird man bereits an den kräftigen Zug erinnert, den Heltschls Bleistiftstriche beim Entwerfen entwickeln. Eine Reihe von abstrahierten Kraftlackeln drückt eine Betonplatte nach oben – um so eine Tribüne für das Sportbecken zu schaffen. Die Umkreisung des Tivoli-Freibades erinnert besonders an heißen Tagen an die Großzügigkeit der Anlage. Umso erfreulicher, dass man direkt am Haupteingang von einer Betonbrücke abgeholt und auf eine der Liegewiesen verteilt wird. Je nachdem, ob man mit Sport-BH, Kind und Kegel oder einem guten Buch ausgestattet ist, sucht man sich einen feinen Platz und genießt.
Die Bäume rundherum, das Rauschen der Blätter. Das Beobachten der Jungs und Mädels mit Hang zum Turmsprung. Denn wer steil von oben ins kühle Nass gelangt, hat gute Chancen, anderen zu imponieren. Der Kiosk ist mittig am Areal positioniert – er inspiriert also jederzeit zum lukullischen Genuss. Wer trotzdem von der eigenen Sportlichkeit überzeugt ist, findet im wunderbaren Sportbecken seine Mitte. Eine Freude, das kräftige Kraulen nur durch Blicke auf Nordkette oder Patscherkofel unterbrechen zu müssen. Eine architektonisch geschaffene einmalige Atmosphäre.
Hat man keinen Badesee ums Eck, ist das Tivoli der beste Ort, um die perfekte Balance zwischen Abkühlung und Überhitzung zu finden. Und sollten Sie daran denken, Ihre Gemeinde mit dem Neubau eines Schwimmbades zu beglücken, sage ich mit erhobenem Zeigefinger: Badehose einpacken, Ausflug ins Freibad am Tivoli!
(Text für 20er 07-08/2017)